Autismus verstehen

Meltdown, wie er entsteht und was den Kindern hilft.

Meltdown bei Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung

Was ist ein autistischer Meltdown?

Von einem Autismus bedingten Meltdown spricht man, wenn der durch Reize angestaute Druck sich willkürlich nach außen entlädt. WICHTIG: für den Autisten ist dies eine existenziell bedrohliche Situation, der Körper kämpft sozusagen ums überleben.

Dies äußert sich meistens durch folgende Symptome:
  • Schreien
  • Heul-krampf
  • Schlagen/Treten/Beißen
  • Dinge werfen/umstoßen
  • Selbstverletzendes Verhalten
  • Unkontrollierte Entleerung

Von Außen betrachtet, verwechselt man ein Meltdown leicht mit einem kindlichen Wutanfall. Die um euch herumstehenden Menschen, werden sicher davon ausgehen, dass euer Kind gerade völlig ausrastet, weil es seinen Willen nicht bekommt.

Im besten Fall ignorieren sie dich, im schlimmsten glaubt jemand, er müsse seinen Senf abgeben und dir erklären, wie Erziehung geht.

Doch aufgepasst, diese Entladung an Energie hat absolut nichts mit einem Wutausbruch zu tun.

Oftmals spürt der Betroffene bereits vorher, wenn ein Meltdown im Anmarsch ist.

Erwachsene Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung ziehen sich wenn möglich zurück. Kinder haben diese Entscheidung oftmals nicht in der Hand. Sie sind durch ihre Umgebung und deren Erwartungen/Wünsche gebunden.

Vielleicht könnte man es im weitesten Sinne mit einem epileptischen Anfall vergleichen. Das was sich da entlädt an Handlung, unterliegt nicht mehr der Kontrolle des Autisten und passiert in größten Teilen willkürlich.

Nicht selten sehen andere darin Wut. Man schreit, schlägt um sich, tritt oder beißt. Manche werfen mit Gegenstände, andere Verletzen sich selber oder umstehende Menschen. Gerade bei Kindern ist oft eine Mischung von diversen Symptomen zu beobachten.

Leider sind solche Verhaltensmuster im öffentlichen Raum schwierig.

Der Autist ist sich ab einem gewissen Alter durchaus bewusst, dass er sich unangemessen verhält, und versucht, den Impuls zu unterdrücken. Doch dass verschlimmert die Situation nur weiter.

Selbst-verletzendes Verhalten im Meltdown

Noch schwieriger ist die Sache mit der Selbstverletzung.

Immer wieder beobachte ich, dass Eltern daraus schließen, das dass Kind sich aus einer emotionalen Motivation heraus selbst verletzt. Oftmals kommen einem dabei Bilder von selbstmordgefährdeten oder sich ritzenden Jugendlichen in den Sinn. Dieses emotional getriggerte Verhalten (welches viel mit Ohnmacht/macht und seelischem Druck zu tun hat) unterscheidet sich aber von einem Meltdown. Hinter der Selbstverletzung steckt nicht der emotionale Druck. Es ist eine Handlung des Gehirns um Stress abzubauen. Der Schmerz dringt durch den Adrenalin geschwängerten Körper gar nicht bis zum Gehirn vor, er wird kaum wahrgenommen.

Natürlich muss man das Kind in dem Moment schützend begleiten und darauf achten, dass es sich nicht lebensgefährlich verletzt, ein körperliches Eingreifen ist aber oft kontraproduktiv und verstärkt die Symptomatik.

Die Website asperger-autismus.ch beschreibt den Meltdown sehr kurz, prägnant aber durchaus treffend, wie ich finde.

Auf asperger-autismus.ch weiterlesen!

Ella, Mutter eines autistischen Jungen, beschreibt auf ihrem Blog, wie man einen Meltdown von Wutanfällen unterscheiden kann.

Auf Ellas Blog weiterlesen!

autistisches Mädchen nach dem Meltdown

Wie fühlt sich ein Meltdown an?

Mein letzter Meltdown war 2017 in der Hauptstadt von Malaysia. Gemeinsam mit meiner Begleitung plante ich einen Ausflug in die Metropole. Angedacht waren so 3 bis maximal 4 Stunden.

Die Sonne Asiens brennt heiß auf die geteerten Straßen, die Luft ist drückend schwül und von den vielen blühenden Bäumen strömt ein intensiv süßlicher Duft direkt in meine Nase. Nach nur wenigen Meter, mischt sich zum Blütenduft der Geruch nach gebratenem Essen, süß, salzig und fettig zugleich. Hinter der Kurve liegt die Ursache, ein grosser Marktplatz. Dicht an dicht stehen die Stände, bunte Schirme schützen die Menschen vor der Sonne und zum Stimmengewirr mischt sich verschiedene Musik. Meine Reisebegleitung ist begeistert von den bunten Stoffen, angebotenen Snacks und den spielenden Kindern die umherrennen, jauchzen und begeistert schreien. Ich würde das alles mit Sicherheit auch ganz nett finden, wäre da nicht dieser Druck in meinem Innern.

Ich muss weg hier, denn langsam steigt von den vielen unterschiedlichen Gerüchen die Übelkeit in mir auf, es ist zuviel. Ich steck meine Hände in die Hosentaschen, um das aufkommende Zittern zu unterdrücken. Jemand schupst mich beim Vorbeigehen, das Kindergeschrei und die plappernden Erwachsenen, ich fang an zu rennen. Wie in einem Labyrinth suche ich den Ausgang, zieh am Kragen meines TShirts, mein Brustkorb fühlt sich an wie in einem Schraubstock.

Als ich endlich wieder an der Straße stehe, im kühlenden Schatten unter einer Palme, ringe ich nach Luft. Mein Herz rast und der Schweiß dringt mir aus allen Poren. Doch, anstatt zu sagen, „verschieben wir den weiteren Ausflug auf übermorgen“, schweige ich. Meine Begleitung strahlt. Sie ist glücklich, diesen hübschen, authentischen Markt gefunden zu haben und präsentiert mir Stolz ihre Ausbeute. Äußerst bemüht, mir meinen Stress nicht anmerken zu lassen, rede ich mir ein, der Stadtausflug wird schon klappen. Ich kenne Kuala Lumpur und im Gegensatz zu anderen Großstädten ist sie relativ ruhig. Sei nicht schon wieder der Spielverderber!

Weil wir zu viel Zeit auf dem Markt verbracht haben, kommt der nächste Bus in die Innenstadt erst in einer Stunde. So ein kurzer Spaziergang würde jetzt gut tun oder? Die Sinne könnten sich beruhigen. Schon nach einem Kilometer verschlechtert sich die Straße. Wir müssen durch eine ländlichere Gegend und so fällt der Gehweg weg. Jetzt wieder umkehren wäre blöd.

Wir gehen, abwechseln zwischen der befahrenen Straße und dem unebenen Gelände daneben bemüht, weder überfahren zu werden, noch in einen Graben zu fallen.

Als wir eine halbe Stunde später den Bahnhof erreichen, bin ich fix und alle. Wir erwischen die einfahrende Bahn, doch ich halte meine Begleitung am Arm zurück. Ich kann nicht einsteigen. Nicht jetzt.

Die Vorstellung, mich in den vollen Wagon zu quetschen, dicht an dicht mit schwitzenden Leibern, unerträglich.

Es ist Zuviel und wenn ich nicht aufpasse, explodiere ich. Ich will sagen, dass ich eine Pause brauche, doch selbst dass überfordert mich. Wortlos verkrieche ich mich in eine kühlende Ecke, lege die Kopfhörer in meine Ohren und drücke die Stirn gegen die kalte Betonmauer. Einatmen, ausatmen, einfach nur sein.

Zum Glück kennt meine Begleitung dieses Veralten gut genug. Sie gibt mir den Raum, den ich jetzt dringend brauche.

Müsste ich mich jetzt erklären oder rechtfertigen, würde die Situation eskalieren. Wenn mich in so einem Moment jemand anfasst, weiß ich nicht, was passieren würde.

Ich fühle mich, wie ein in die enge getriebenes Tier. Gejagt, gehetzt und am Abgrund einer Klippe, ohne Ausweg. Am Rande meines Bewusstseins ist mir klar, dass Menschen mich anstarren, dass sie meine Not nicht sehen oder verstehen, wie denn auch? Inständig hoffe ich, dass mich jetzt niemand fragt, ob ich Hilfe brauche.

Denn ich wäre nicht imstande, auch nur ansatzweise adäquat zu reagieren. Völlig egal ob gewollt oder nicht. Es dauert über 30 Minuten, bis ich mich von der Wand löse und mein Körper sich allmählich entspannt.

Meiner Begleitung ist klar, dass jetzt die einzige Frage ist, wie wir schnellstmöglich nach Hause kommen. Denn für mehr reichen meine aktivierten Notreserven nicht aus.

Das Taxi braucht ewig, denn der Stau auf den Straßen zieht sich. Ich tauche ab in die Musik, höre auf zu sprechen, zu reagieren, klinke mich aus. Weil ich meiner Begleitung 100% vertraue, lasse ich mich von ihr führen. Zuhause schaffe ich es irgendwie, zu duschen. Eigentlich ist mir selbst dass zuviel, aber der klebrige Schweißfilm auf meiner Haut, ist noch unerträglicher als das prasselnde Wasser auf.
Endlos erschöpft, falle ich in einen 16 stündigen Schlaf. Es wird locker 2-3 Tage dauern, um mich zu erholen.

Was hilft, wenn ein Meltdown ausgelöst wurde?

Anregungen, wie man einem Meltdown entgegenwirkt, findest du in meinem Artikel über die Entstehung des Overloads.  Ist der Orkan erst einmal ausgelöst, wird nichts und niemand ihn stoppen.  Allerdings gibt es Dinge, die du tun kannst, um deinem autistischen Kind in so einer Situation helfen.

 

  • Ruhe bewahren !!!
  • Für Ruhe Sorgen!!!
  • Den Betroffenen abschotten !!!

     

  • Minimiere alles, was neue Reize verursacht. 
  • Wenig bis gar nicht sprechen.
  • Wenn möglich nicht anfassen. (Es soll wohl Ausnahmen geben, in denen zumindest die Eltern der Ansicht sind, sie könnten damit ihr autistisches Kind beruhigen. Ich kann das nicht beurteilen und nur für mich persönlich sagen, es wär die Hölle. Aber als Kind könnte ich mich in dem Moment weder wehren noch artikulieren. Wenn ihr Kind ihnen in einer ruhigen Situation sagt, festhalten hilft mir in so einem Moment, ist das natürlich ein vollkommen adäquates Mittel!)
  • Ersatzkleidung dabei haben, noch schlimmer als die Kontrolle über die Darm/Blasenentleerung zu haben ist es, sich danach nicht umziehen zu können.
  • Bitte keine Vorwürfe, wir leiden selber genug darunter.
  • Wasser dabei haben. Viele haben nach diesem körperlichen Kraftakt durst.
  • Raum abdunkeln.

  • Schlussendlich hilft nur Zeit, Ruhe und Verständnis.

Ein hoffentlich ermutigendes Wort zum Schluss.

Je älter ich werde, umso weniger Probleme habe ich mit den Reizen. Ich kenne und verstehe die Welt, Menschen und ihre Abläufe.

Über die Jahre habe ich gelernt, Situationen einzuschätzen, und vor allem, meine Grenzen und Warnsignale zu kennen. Ein autistisches Kind hat kaum Referenzwerte. Es muss sich alles mühsam erarbeiten und ja, diese Zeit ist hart, ich weiß. Aber, und dass ist wirklich wichtig, mit der richtigen Unterstützung, Geduld, Empathie und Liebe, kann es seinen Weg damit finden und ein erfülltes Leben führen. Auch wenn es sich jetzt gerade für dich als Elternteil oder Betroffener so anfühlt, als gäbe es kein Entkommen, es kann besser werden!

Kind während eines Overloads
Overload
Shutdown

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